Bart, Josef und Engelstrainerin

Im Jahr 1989 fand in der Höhle von Postojna die erste Aufführung einer lebenden Weihnachtskrippe statt. Das war damals die erste derartige Aufführung in Slowenien, die später zum Trend wurden. Aber die lebende Weihnachtskrippe bleibt ein besonderes Spektakel und ist mit ihrer 28-jährigen Tradition auch weltweit bekannt. Bis zu 150 auftretende Personen interpretieren sechs Tage lang die Bibelgeschichten auf fünf Kilometern touristischer Wege in der Höhle von Postojna. Das sind ihre Geschichten.

Trainerin der Engel

In der Hitze des Spätsommers 2015 bemerkte die damals 71-jährige Gabrijela B. während der Gartenarbeit den charmanten grauen Bart ihres langjährigen Freundes Milan K.. Sie legte das Werkzeug weg, ging in den Nachbars Garten und erklärte ohne Umwege, was ihr auf der Seele liege. Das war ein Moment der Erkenntnis für beide. Die Erkenntnis war aber keine romantische, sondern professionelle.

Die 73-jährige Gabrijela widmete ihren beruflichen Weg dem Unterrichten. In Postojna gilt sie als eine der strengsten und besten Basketballtrainerinnen, sie ist Journalistin und Fremdenführerin.

In der Unterwelt der Höhle von Postojna spielt sie seit 22 Jahren eine der wichtigsten Rollen - als Regisseurin der Aufführung Lebende  Weihnachtskrippe müssen sogar die Engel auf sie hören!

„Du, seit wann trägst `nen Bart?“ war zwar eine einfache Frage von Gabrijela mit einer viel längeren Vorgeschichte, da der pensionierte Milan K. nie im Leben einen Bart trug. Die Rasierrituale zweimal in der Woche waren (bis dorthin) ein Teil seines erwachsenen Lebens.

Die letzte Rasur

Der 68-jährige Milan K. rasiert sich schon sein ganzes Leben jeden Mittwoch und Sonntag Morgen. Das erste Mal lies er sich vor vier Jahren den Bart wachsen, als seine Frau mehrere Wochen im Krankenhaus verbrachte und die Genesung nach der Operation längere Zeit dauerte. Gerade in dieser Zeit wurde er entdeckt und zur Schauspielbesatzung der „Krippenschaffenden“, die jedes Jahr bei der Lebenden Weihnachtskrippe in der Höhle von Postojna mitwirken, eingeladen. Seit dem rasiert er sich jedes Jahr Anfang Oktober das letzte Mal im Jahr.

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„Würdest du heuer in der Lebenden Weihnachtskrippe auftreten?“ klang die nächste Frage von Gabrijela und Milan stimmte zu. Aber die Frau K. wurde über seine Pläne und darüber, was die Auftritte ihres Mannes bei den sechstägigen Höhlenaufführungen von ihr fordern werden, nicht informiert. Bei ihrer Rückkehr von der Kur in der Therme erfreute sie deshalb nicht das fröhliche glattrasierte Gesicht ihres Mannes, sondern stachelige Barthaare.

Seit diesem schicksalhaften Treffen im Garten lässt Herr K. seinen Bart jedes Jahr nur deshalb wachsen, um den Anforderungen der Rolle von Zacharias in einer der anspruchsvollsten Szenen aus der Lebenden Weihnachtskrippe gerecht zu werden. Nach Jahren der Erfahrungen mit dem Bartwuchs meint er: „Wie das juckt! Das Jucken in den ersten Wochen ist der härteste Teil.“ Nach sechs Tagen der Dezemberaufführungen in der Höhle muss der Bart weg, die Frau K. mag ihn nämlich wegen des ständigen Stechens nicht.

Bis heuer wusste Majda K. gar nicht, warum ihr Mann überhaupt in der Lebenden Weihnachtskrippe auftritt. In einem Moment hat sie ihm sogar die künftigen Auftritte in der Weihnachtskrippe verboten. Aber da war es schon zu spät, die Geschichte über den Bart war bereits zu bekannt und besänftigte letztendlich auch Frau K., die sich heuer sogar für das Vorsprechen für die Lebende Weihnachtskrippe anmeldete. Zu Weihnachten wird sie zum ersten Mal in der Rolle von Elisabeth, der Frau von Zacharias, auftreten.

Die Engel

Das jährliche Vorsprechen für die Lebende Weihnachtskrippe ist notwendig und erzeugt vor allem bei jungen Menschen viel Interesse. Nur Heuer waren beim Vorsprechen im Oktober um die 120 interessierten Einheimischen. Die zahlreichste Rolle in der unterirdischen Aufführung besetzen die Engel - ganze 12 treten auf fünf Kilometer touristischer Wege in der Höhle, die die Bühne der Lebenden Weihnachtskrippe darstellen, auf. Die Maßstäbe für die Rolle der Engel sind streng: helles Haar, sanfte Gesichtszüge und grazile Bewegungen.

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Maria

Die 16-jährige Martina G. will Make-Up-Artist werden. Das Geld, das sie mit ihrer Studentenarbeit verdient, verbraucht sie für den Kauf von professionellen Make-Up, „das sie sich nicht leisten kann“, wie ihre Schwester sagt. Am Ende des Schuljahres ist sie am meisten eingespannt, nicht nur wegen der Prüfungen, aber auch deswegen, weil sie für ein makelloses Make-Up bei den lokalen Matura-Bällen sorgt.

 

Martina muss in der Zeit der Lebenden Weihnachtskrippe fast vollständig auf das Make-Up verzichten, ihr Instagram-Profil verklingt, während sie sich der Rolle der Jungfrau Maria in der Hauptszene, Die Geburt genannt, widmet. Heuer wurde sie zur Blondine, weshalb sie die Hauptrolle verlor und stattdessen ein Engel wurde.

Die Josefs

In der gesamten Aufführung sind vier Szenen mit dem Josef und eben so viele sind seine Rollen. So ist es logistisch am einfachsten, weil sonst ein Darsteller quer durch die Höhle von einer zu anderen Szene laufen müsste. Die langen Haare, der lange Bart und das Schauspieltalent sind allen gleich, aber Nik Č. ist in der Hauptszene, Die Geburt, fünf Jahre lang aufgetreten.

Gabrijela B.: „Du, das muss weg.“

Nik Č.: „Oh, nein, nein, die Armbänder gehen nirgends hin.“

Einer der ersten, der sich der strengen Regisseurin zu widersprechen traute, war ein Heavy-Metall-Fan und Künstler aus Postojna, der beim ersten Vorsprechen vor vier Jahren die Jury komplett überzeugte, sodass ihm eine besondere Ehre zuteil wurde - die Rolle in der Hauptszene und der Stock von Josef, der bereits seit der Uraufführung in 1989 verwendet wird.

Obwohl Nik Č. keine Schwierigkeiten hatte, sich in die Rolle von Josef zu versetzen, waren die Armbänder von Metall Camps, die er nach alljährlichen Besuchen des Festivals auf seinem linken Arm sammelt, nicht etwas, worüber er bereit wäre zu verhandeln. Die Regisseurin musste sich den Starallüren beugen, gesteht aber heimlich stets, dass Nik Č. einer ihrer Lieblingsschauspieler sei.

Im November 2017 unterzeichnete Nik Č. einen neuen Arbeitsvertrag. Weil er im ersten Monat im neuen Job nicht um Urlaub ersuchen konnte, übergab er die Rolle von Josef an seinen Nachfolger.

Die drei Könige

Im Februar 2014 wurde Slowenien vom Eisregen bedeckt und Postojna war eine Woche lang total gelähmt. Das war auch für den Nigerianer Anthony B. die erste Woche in der neuen Stadt. Damals waren nicht viele Menschen in der Stadt unterwegs - nur er und Gabrijela, und das war genug, Gabrijela hat ihn angesprochen. „Ich hatte Angst, sie wirkte streng,“ beschreibt Anthony. Sie bot ihm eine Rolle an, die er annahm und zu einem der drei Könige in der Lebenden Weihnachtskrippe wurde.

„Matej - der König“ erscheint auf dem Bildschirm von Anthonys Handy, wenn er einen Anruf von seinem Freund bekommt, mit welchem er fast täglich einen Kaffee trinken geht. Matej K. wurde Schauspieler, als er die Hingabe seines Vaters beobachtete, der sich den Wünschen seiner Mutter widersetzte und sich wegen der Weihnachtskrippe seinen Bart wachsen lässt. Der dritte König ist der lokale Künstler Marino S., der sich „aus Spaß“ der Aufführung der Lebenden Weihnachtskrippe anschloss. Man sagt, dass es bei deren Szene in der Höhle am lustigsten sei (vor allem, wenn die Lichter ausgehen und die Aufführung zur nächsten Szene übergeht). Die Könige sind auch außerhalb der Höhle unzertrennlich und während der Gespräche mit ihnen wurden sie spontan in die „drei Entertainer“ umbenannt.

Jeder von den 150 auftretenden Personen, die bei der diesjährigen Lebenden Weihnachtskrippe mitwirken, trägt seine Geschichte, jeder nimmt sich, wenn ihn die Rolle ergreift, selbst zurück. Obwohl Laiendarsteller, gehen sie professionell und mit Feuer an ihre Rollen heran. Die Lebende Weihnachtskrippe vereint seit 28 Jahren Menschen aus unterschiedlichen Umfeldern und unterschiedlicher Herkunft, die sich für sechs Tage in die Personen aus den Bibelgeschichten verwandeln, die ihr Leben auf das Abstellgleis stellen und ihre Tage in der Höhle von Postojna verbringen. Der einzige gemeinsame Punkt von allen Auftretenden? Die Höhle von Postojna.